Brugg - Müslüm im Salzhaus

«Popaganda»

 

Schweigen ist Silber, die Zunge rausstrecken ist Gold. Der Mann mit der schönen Braue und den Anzügen in allen Farben meldet sich zurück und schlägt auf zur «Popaganda» – Episode drei, nach Euphorie und Apokalypse ist es Zeit für die Ambivalenz. Müslüm geht durch die Mitte und kann zu allem tanzen, zu den schweren Themen, zu den existenziellen Fragen und selbstverständlich im Neunachteltakt – auch wenn er gerade kein Reich zu regieren hat und lieber Liebe predigt als Geld aufhäuft. Dazu braucht es keinen Redenschreiber und keine Krone, es reicht ein dicker Beat.

 

Und daran mangelt es auch in Müslüms dritter Amtszeit nicht: Karibische Leihgaben von Kingston-Gitarren und Reggaeton-Synkopen, ein amerikanischer Glockenbeat, Absender Atlanta, Vergangenheit und Gegenwart aus dreissig Jahren Hiphop-Historie. Und über all dem türkische Saiten, euphorische Chöre und ein Fest der Perkussion. Selbst das grosse Istanbul String Orkestra feiert mit. Eine hyperreferenzielle, narrenfreie Weltmusik klingt als oppulenter Agit-Pop in zehn Kapiteln und befragt die blitzblanken Strässchen des Landes auf ihren Sinn, wenn niemand auf dem Asphalt tanzt. Sie trägt Müslüms Botschaften durch die Quartiere: Da ist der schwerblütig-naive Klagesänger, unter dessen Füssen die Welt sich dreht und doch nichts richtig vorwärts will: «Hallo Mensch, sag was isch mit dir los? Warum isch bloss alles so bedöitungslos?» Da ist der wirbelnde Agitator mit seinem Diktum der Liebe wider die Wirren der Macht – der Politik, der sozialen Medien und Algorithmen. Es ist das Verspielte als Zauberwaffe, das er dem zahlenverliebten Treiben der Mächtigen entgegenzusetzen hat. Aber auch der prophetische Gestus muss sich schliesslich in demütiger Weltverlorenheit auflösen, schulterzuckend vor dem himmelhohen Grossen und Ganzen. Denn Müslüm bleibt Müslüm, ein Narr, der Fragen stellt, die er selber nicht alle beantworten kann. Und Müslüm bleibt Müslüm, vor den profansten Freuden nicht verschont, von einem verführerisch verchlepften Kaugummi rasch weggetragen: «Schetseli du machsch mich waggelig wie aine Daggeli» – also lass zusammen tanzen.

 

So umarmt «Popaganda» die grossen Fragen und die kleine Welt, der Hofnarr regiert und wundert sich. Setzt ihm jemand denn die Krone auf, das Staatssekratariat für Migrationspop, das Ministerium fürs ungelöste Müsterium etwa – oder doch das Schweizer Staatsfernsehen? Nein, Müslüm trägt auch weiterhin «chaine Statüssümbole». Und vielleicht ist es ja an der Zeit, dass die nächste Generation all dem Katzengold da draussen ihre Zunge zeigt.

 

Sa. 18. März 2023
20:30 Uhr

 

Salzhaus Brugg
Schulthessallee
5200 Brugg
Tel. 056 450 22 35
verein@salzhaus-brugg.ch
www.salzhaus-brugg.ch
www.müslüm.ch